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Der Ludwigvetter
Der Ludwigvetter und seine Frau, die Ludwigbase, wa-
ren Gegensätze, wie man sie nicht gleich findet. Er ein
rauhbeiniger Metzgermeister, und sie eine feine Dame
aus gutem Hause. Es kam in der Metzgerei oft zu laut-
starken Auseinandersetzungen, das konnte sie nicht
ertragen und machte sich durch die Hintertüre auf die
Flucht. Sie flüchtete ins nahe gelegene Bäckerhaus zu
meiner Tante. Diese nahm sie mit ins Wohnzimmer,
zog die Türe hinter sich zu und man hörte nur noch die
Worte: „Schrecklich... schrecklich...“
Die Frauen hatten damals keinen Beruf und waren auf
eine einigermaßen standesgemäße Heirat angewiesen.
Sie waren ganz von ihrem Mann abhängig und zum Teil
auch an ihn ausgeliefert. Ein Weglaufen war zwecklos,
niemand nahm sie auf, und so kamen sie bald wieder
reumütig zurück.
Der Ludwigvetter war nicht bösartig, aber wenn er mit
seinem Schimmel und seinem Gäuwägelchen zu den
Bauern hinausfuhr, um Großvieh einzukaufen, konnte
es spät werden oder auch schon wieder Tag. Der brave
Schimmel stand oft die halbe Nacht mit seiner Decke
und dem Heusack vor dem Wirtshaus, in welchem der
Vetter seinen Kaufabschluss begoss.
Dieser alte Schimmel wusste von jeder Gastwirtschaft
den kürzesten Heimweg und der Ludwigvetter in sei-
nem Rausch vertraute ihm schlafend die Heimfahrt an.
Die Straßen waren zu dieser Zeit in Lechbruck noch
nicht asphaltiert und wir Bäcker waren schon sehr früh
in der Backstube, da hörte man oft das Getrappel des
Schimmels und mein Onkel erkannte es gleich und sag-
te: „Das ist jetzt der Ludwigvetter.“
Einmal kam dieser in die Backstube und erzählte uns,
dass er wegen fünf Mark von einem wunderschönen
Ochsen weggegangen war, was ihn jetzt im Nachhinein
furchtbar ärgerte.
Vom Schlafen hielt er nicht viel. Meistens ging er gleich
nach der Heimfahrt in sein Schlachthaus und fing an, das
Großvieh zu schlachten. Er hatte mehrere Gesellen und
Lehrlinge und das Geschäft florierte ausgezeichnet.
Zu dieser Zeit kannte man noch kein Bolzenschussge-
rät, man schlug dem Großvieh einfach das Schlachter-
beil mit einem angeschmiedeten drei Zentimeter langen
Dorn auf die Stirne und es fiel bewusstlos um.
Eines Tages brachte man den alten Gemeindestier ins
Schlachthaus. Dieser achtzehn Zentner schwere Koloss
bereitete ihm jetzt doch erhebliches Kopfzerbrechen. Er
selber war nicht mehr der Jüngste, sein Sohn noch klein
und schwächlich, und die Gesellen trauten sich auch
nicht, diesem mächtigen Tier den Todesstoß zu verset-
zen. Als einziger Ausweg fiel ihm jetzt mein Onkel ein.
Dieser kräftige Bäckersmann sollte den Stier zur Strecke
bringen. Er kam zu meinem Onkel und bat, ihn er sollte
ihm doch den Gemeindestier totschlagen. Er selbst hätte