Seite 5 - Bruggbeckle

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Wie es zu diesem Buch kam
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Als Verleger sucht man immer nach besonderen, au-
thentischen Orten zur Vorstellung neuer Bücher. So ha-
ben wir den Roman „Gold für den Märchenkönig“ im
Flößermuseum Lechbruck präsentiert, da die Flößerei
in diesem Werk von Franz-Josef Körner großen Raum
einnimmt. Bei dieser Gelegenheit lernte ich Ingrid Kah-
lert kennen, die uns mit der Fertigstellung des Museums-
führers beauftragte. „Besuchen Sie doch mal den Georg
Keller. Der war Bäcker und hat schon ein Buch 'raus-
gegeben. Ich weiß, dass er noch viele unveröffentlichte
Geschichten zu Hause liegen hat.“
Gesagt, getan! Wir waren
uns auf den ersten Blick
sympathisch. „Ich mach
koi Buach nimma.“ Die
Arbeitsverteilung war also
auch gleich klar: er liefert
seine Geschichten und Er-
innerungen, wir machen
daraus ein Buch, das mit
Zeichnungen und einigen
Fotos aufgelockert werden
soll. Aus seinem Erstlingswerk „­Lechwasser“ werden ei-
nige Flößergeschichten mit aufgenommen.
Ruhig, fast bedächtig sitzt er da, der 78-jährige Keller,
der die Liebe zur Geschichte und zum Schreiben von
seinem Vater Dr. Otto Keller geerbt hat. Doch wenn
er von der Vergangenheit erzählt, sei's über den Bä-
ckereibetrieb, über die Lechflößerei oder so manches
„Stückerl“, das er im alten Lechbruck und auf Ausflü-
gen einst erlebte, da glänzen und funkeln seine Augen.
Man kann ihn sich dann gut vorstellen: ein schneidiger,
junger Bursch, der den Mädeln den Kopf verdrehen
konnte, vor nichts Angst hatte und kaum einen Blödsinn
ausgelassen hat. Quirlig, pfiffig und nicht auf den Mund
gefallen seine Frau Isolde, aber dazu später mehr.
Die zahlreichen Gespräche und Tonbandaufzeichnun-
gen mit den beiden habe ich auf den folgenden Seiten
zusammengetragen. Sein Vater hat ihm das Talent zum
Schreiben vererbt und wird ebenso in Bild und Erzäh-
lung „vorgestellt“ wie der Rest der weit verzweigten
Familie, allen voran der umtriebige Dännler-Großvater.
Georg Keller erzählt, wie ihn sein Englischlehrer, ge-
nannt „Schwanenhalsritter“, von der akademischen
Laufbahn abbringt, wie er als „weißer Sklave“ in Mün-
chen Berufserfahrung sammelt und das Großstadtleben
kennenlernt, und beschreibt den harten Alltag in einer
Landbäckerei, der trotzdem genügend Raum für Späße
und Streiche bot. Flößergeschichten fehlen ebenso we-
nig wie Auszüge aus einer Chronik, die berichtet, dass
die Lechbrucker in Notzeiten sogar Gras essen mussten.
Von seltsamen Begebenheiten und eigenwilligen Ge-
stalten ist die Rede, wie sie in jedem bayerischen Dorf
vorkommen können: der Mesner Lotterkaspar und die
nächtliche Fahrt des Gemeinderates auf den Kettenka-
rusell des Lechbrucker Volksfestes genannt.