Seite 6 - Bruggbeckle

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Georg Keller erzählt:
1951 bin ich mit dem Fahrrad nach Lechbruck gefahren, um dem Onkel beim Backen zu helfen. Ge-
wohnt habe ich damals in Füssen, im Keller lag ein Faltboot. Ich war recht stolz darauf, habe ich mir doch die 250 Mark dafür
während meiner Lehrzeit
erspart
. Die ganze Gegend habe ich unsicher gemacht: Weißensee, Hopfensee, die Aachen. Vom Fischen
her habe ich den Weg vom Weißensee auf der Aach zum Hopfensee gekannt und gewusst, wie man fahren muss. Es gab jede Menge
Spinnweben und das Schilf hat mir ins Gesicht geschlagen in der Früh um 6. Das war ein Kampf, bis ich im Hopfensee war; dort habe
ich eine Runde gedreht, bin wieder raus und bis zur Aachmühle gefahren, wo es in den Forggensee reingeht.
Das Faltboot habe ich auseinandergebaut und im Rucksack nach Füssen heimgetragen. Die Frage war: Wie bringe ich das Boot jetzt
nach Lechbruck? Mit dem Fahrrad, das Boot auf dem Buckel, das wär zu langweilig. Den Lech befahren? Die Schlucht des Lech-
durchbruchs war mir zu gefährlich, einige Faltbootfahrer sind hier an den Felsen ums Leben gekommen. Also, das tu ich nicht – muss
also warten, bis der Forggensee fertiggestellt und voll Wasser ist. Dies war dann 1955 der Fall. ­­Am Pfingstmontag habe ich das
Faltboot mittags ins Wasser gesetzt und bin - fesch mit Lederhose und Leinenhemd - losgefahren. Auf einmal kommt ein Gewitter vom
Westen, es hat geblitzt und gedonnert. Trotzdem bin ich bis ans Stauwerk gefahren, das war schon gefährlich. Ich hab rechts angelegt,
das Boot über den Damm getragen und wieder eingesetzt. Dann fahre ich eine Weile und höre ein Rauschen vom Wehr, dort wo jetzt der
Stausee in Prem ist. Der Lech war damals viel schmaler, ich bin ganz scharf an den Felsen vorbei. Da darf dir aber nichts passieren,
dachte ich mir. Und es ist mir nichts passiert, ebenso nicht bei der Sägmühle vom Schwerbl, beim Aufstau vom Lechbrucker E-Werk.
Man darf nicht in den Kanal reinfahren, also: das Boot wieder tragen. Nach dem Einsetzen in das schwache Rinnsal – das meiste
Wasser ist durch den Kanal gelaufen- kommt auf einmal das Kanalwasser rein. Es wirft mich auf die Seite unter die Lechbrücke,
natürlich habe ich Angst bekommen, vor allem wegen der dortigen rauen Strudel. Ich war auch recht spät dran, es war schon fast Nacht.
Gottseidank bin ich gut durchgekommen. Das war die letzte Fahrt, das Boot hab ich bald danach verkauft.­
Keller erzählt und demonstriert eindrucksvoll, wie er
vom Schleppen der 100-Kilo-Mehlsäcke ganz bucklig
gegangen ist. Er­st die Amerikaner haben die 50-Kilo-
Säcke eingeführt. Er hat dann in Schongau das Reiten
gelernt:
Auf'm Ross muss man richtig sitzen.
So hat er
sein Leiden kuriert, sich dann ein junges Ross gekauft,
einen Stall gebaut und das junge Pferd selbst eingeritten.
Jeden Tag muss man früh raus:
Mir hat das immer gut
getan.
Das Mehl hat er von sieben verschiedenen Land-
müllern erhalten. Deren Vertreter haben immer über
die schlechten Geschäftsgänge gejammert und so hat er
dann einfach von allen was gekauft. In den 70er Jahren
sind viele Mühlen aufgelöst worden. Sie haben eine Still-
legungsprämie vom Staat erhalten mit der Auflage,
30 Jahre nicht mehr zu mahlen.
Die Vertreter haben
sich mit ihren Volkswagen zu Tode gefahren – es ist
nichts gegangen, die großen Betriebe mit Silo haben das
Geschäft dann übernommen und konnten auch viele
Mehlsorten anbieten.
Ein wenig verärgert ist er,
dass es nimmer so geht wie
früher
, zum Beispiel, wenn ihm bei der geliebten Wald-
arbeit mit der Motorsäg' nach eineinhalb Stunden die
Kraft ausgeht. Wir einigen uns im Gespräch, dass statt
Verärgerung eher wehmütige Erinnerung angesagt ist.