Seite 61 - Bruggbeckle

Basic HTML-Version

60
ein ganz normaler Samstag. Sie zogen ihren Schurz
durchs Wasser und lachten noch, als sie wunderschö-
ne Semmeln aus dem Ofen zogen. Da der Ölbrenner
erhöht angebracht war, konnten sie noch die ganzen
Teige aufarbeiten und ausbacken.
Es wurde langsam Tag und jetzt hatte sich auf der an-
deren, etwas erhöhten Straßenseite eine große Men-
schenmenge eingefunden; lauter Neugierige, die nur
ihr Frühstück im Kopf hatten und überhaupt nicht
ans Helfen dachten.
Ich holte vom Dachboden ein großes Brett und wollte
damit die Hauptströmung vor dem Laden umleiten.
Doch als ich versuchte, dieses Brett an die Hauswand
zu nageln, riss es mir die Flut aus der Hand. Diesen
Augenblick erfasste eine Frau, sie reichte mir ihr Ein-
kaufsnetz, ich solle ihr doch schnell sechzehn Sem-
meln hineinzählen, ihre Feriengäste warteten schon
aufs Frühstück.
Endlich kam der von mir angerufene Bauer mit sei-
nem Jauchefass und pumpte die Backstube und den
bereits vollgelaufenen Laden aus. Der Regen ließ et-
was nach und das Hochwasser zog sich langsam wie-
der ins Bachbett zurück.
Jetzt übernahm eine Frau barfuß, immer bis zu den
Knien im Wasser, den Pendeldienst und brachte der
Kundschaft auf der gegenüberliegenden Straßenseite
die gewünschten Waren.
Dieser Tag war für uns sehr verlustreich. Die Dop-
pelzentnersäcke mit Mehl standen bis zur Hälfte im
Wasser, die Maschinen waren unbrauchbar und der
Fußboden imWohnzimmer wölbte sich wie ein Stein-
pilz. Der Hinterhof war ein aufgerissener Graben
und die Gärten waren eine einzige Seenlandschaft.
So ein Hochwasser hatte selbst mein Onkel in den
letzten achtzig Jahren nicht erlebt. Trotzdem hatten
wir an diesem Samstag die beste Verkaufseinnahme
des ganzen Sommers. Aber wenn man erst ein paar
Jahre im umgebauten Geschäft ist und viel investiert
hat und sich jetzt keine Versicherung dafür zuständig
fühlt, ist es trotzdem ein großer materieller Verlust.
Jetzt boten uns doch noch einige Nachbarn Hilfe an
und halfen uns, den hereingeschwemmten Dreck und
Sand hinauszuschaffen. Das Haus stand jetzt inmit-
ten einer Seenplatte und überall wateten die Leute
mit Gummistiefeln durch unser Dorf. Es dauerte Jah-
re, bis die Feuchtigkeit aus dem Haus verschwunden
war und erst dann konnte der Wohnzimmerboden
neu verlegt werden.
Heute sind wir froh, dass endlich 1991 der Leuthenbach
so ausgebaut wurde, dass mit Sicherheit ein unvorher-
sehbares Hochwasser keinen Schaden mehr anrichten
kann.