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Das Lechbrucker Volksfest
Wenn in meinen Dorfgeschichten immer wieder der
Welschenwirt vorkommt, möchte ich den Namen kurz
erläutern.
Der Welschenwirt hieß Max Ott und sein Gasthaus hieß
Zum weißen Rössel
. Um die Jahrhundertwende ver-
kehrten in diesem Gasthaus hauptsächlich die auslän-
dischen Gastarbeiter, die am Bahnhofsbau und anderen
Bauten beschäftigt waren. Wegen diesem sprachlichen
Kauderwelsch in der Gaststube nannte man die Wirt-
schaft von da an
beim Welschenwirt
.
Zwischen dem Gasthaus und dem Pfarrhof ist eine
große Wiese und auf dieser organisierte der damali-
ge Pfarrer alle Jahre, Anfang Juli, ein kleines Volksfest.
Erstens zur Belustigung für die Kinder, zweitens, was
ihm genauso wichtig war, zur Aufbesserung seiner Kir-
chenkasse. Ein Glückshafen, ein Würstchenstand, ein
Schießstand und ein Stand mit Süßigkeiten waren die
Grundausstattung. Dazu kam noch die große Attrakti-
on, das Kettenkarussell.
Der Karussellbesitzer kam schon vierzehn Jahre nach
Lechbruck, er hieß Heinrich Klapp und war Witwer.
Er hatte im Ersten Weltkrieg ein Bein verloren, und
aus dem linken Hosenbein schaute das dürre zerfrans-
te Holzbein mit Gummikappe heraus. Zerfranst war es
deshalb, weil er damit immer wieder an den Karussell-
treppen anstieß. Er kam aus der Gegend von Ulm und
das Kettenkarussell war sein ganzer Stolz und Lebensin-
halt. Er hatte kohlschwarze Hände und ein rußschwar-
zes Gesicht, er sah aus wie der Heizer einer Dampflok
nach der Reinigung des Heizkessels. Aber man kannte
ihn nicht anders, er hatte einfach keine Beziehung zu
Wasser und Seife. Die Kinder störte das wenig, denn er
war gesellig und half ihnen beim Ein- und Aussteigen,
und sie mochten ihn.
Es war ein herrlicher Sommertag und das Karussell lief
ununterbrochen, er hatte wieder eine gute Einnahme
und die Kasse stimmte. Als es Abend wurde, es war der
letzte Tag des Volksfestes, bauten die anderen ihre Stän-
de ab, und er freute sich schon auf den Feierabend. Er
stellte sein Karussell ab, kletterte in seinen Wohnwagen
und machte ein Feuer im Kanonenofen.
Da kamen zu später Stunde noch die Gemeinderäte
auf den Festplatz, sie wollten nach der Sitzung im Rat-
haus noch ein Bier beim Welschenwirt trinken. Als der
Karussellmann sie sah, winkte er sie heran und sagte:
Ich stelle gerade Kaffeewasser auf und lade euch alle
zu einer guten Tasse Bohnenkaffee ein.
Ja, das wäre
jetzt genau das Richtige
, meinten sie und wollten schon
in den Wohnwagen klettern. Da sagte er:
Das Wasser
ist noch nicht heiß, da könnt ihr inzwischen noch eine
Runde Karussell fahren.
Damit waren sie alle einverstanden und setzten sich in
die Karussellsitze. Der Karussellmann Klapp warf den
Hebel herum, und der alte Elektromotor tat noch ein-
mal treu seinen Dienst.