Seite 75 - Bruggbeckle

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einige Flößer tot ans Ufer gezogen. Daher postierte man
an diesem Tag oberhalb des Wehres einige Polizisten.
Sie sollten die Flößer zum Anlanden auffordern.
Doch die vier lachten nur und provozierten die Polizis-
ten mit ein paar derben Flößersprüchen, und gleich da-
rauf hörten sie schon das tosende Rauschen des Wehres.
Jetzt gab es kein Zurück mehr, die Flößer stellten ihre
Ruder auf, klammerten sich ans Mittelseil und gleich
darauf kippte das ganze Floß in das gischtschäumende,
zweistufige Wehr, es krachte und tobte, spritzte und beb-
te, bis das Floß nach ungefähr fünf Minuten wieder aus
dem Wasser auftauchte. Diesmal war es wieder gut ge-
gangen, alle blieben heil. Obwohl völlig durchnässt und
nach Luft ringend, stießen sie einen Freudenschrei aus
und sprangen wieder an ihre Ruder.
Ein Stück weiter unten dann der Landsberger Friedhof,
der Totengräber mit seiner Schaufel saß gelangweilt auf
der Friedhofsmauer und schaute den Flößern zu. Als
sie ihn jetzt sahen, riefen sie übermütig zu ihm hinauf:
Hast uns wieder nicht erwischt, alte Gottsackerhyäne!
Jetzt bildeten sich dichte Nebelschwaden auf dem Lech,
die Weiden hingen tief und nass, da musste doch bald
die Schwabstadler Brücke kommen. Da, auf einmal im
Nebel der Brückenpfeiler - schnell noch ein paar Ruder-
schläge - doch der Nokele machte genau zwei Schläge
zu wenig und das Floß rammte den Pfeiler! Das Wasser
schob das ganze Floß bis zum Brückengeländer hin-
auf, die Flößer retteten sich schwimmend ans Ufer, und
sämtliches Werkzeug und alle persönlichen Gegenstän-
de verschwanden in den Fluten.
Die Flößer retteten aber nicht nur ihr Leben, sondern
auch ihre geliebten Pfeifen, denn jeder behielt seine
Pfeife krampfhaft im Mund. Zufällig kamen an die-
sem Tag Wallfahrer, die nach Andechs pilgerten, an die
Brücke. Sie sahen das Unglück, und die Männer besorg-
ten sich Werkzeug bei den umliegenden Bauern und hal-
fen den Flößern, das Floß anzubinden und die Stämme
unterhalb der Brücke wieder einzubinden. Die Flößer
drehten den ganzen Tag Weidenseile, und am Abend
war das Floß wieder startklar. Jetzt konnte am anderen
Tag die Fahrt fortgesetzt werden.
Am nächsten Morgen gesellte sich ein Weinvertreter zu
ihnen, er wollte billig reisen, da bat er die Flößer, sie
sollten ihn doch ein Stück mitfahren lassen. Sie willig-
ten ein, aber als er an einem Anliegeplatz vor Augsburg
kein Bier spendierte, da heckten sie einen makabren
Streich aus. Als er sie nämlich fragte, wo er am Augsbur-
ger Hochablass auf dem Floß am sichersten sei, sagten
sie, dann müsse er unbedingt ganz vorne sitzen, sie sel-
ber müssten am gefährlichsten Platz am hinteren Ruder
bleiben.
Sie banden ihn ganz vorne mit Stricken fest, und bald
gings den Hochablass hinunter. Der vordere Teil des
Floßes verschwand nämlich immer ganz im Wasser, der
hintere dagegen nur ein wenig. Als der sparsame Vertre-
ter diese kalte Taufe im Lech überstanden hatte, hatte
er vorläufig genug vom Floßfahren und mied von nun
an diese Reisemöglichkeit, denn er verabschiedete sich
schon an der nächsten Anliegestelle.
Wenn die Kinder am Lechufer Treibholz und ange-
schwemmte Äste fürs Brennholz sammelten und hin
und wieder ein Floß vorbeifuhr, riefen sie zu den Flö-
ßern hinüber:
Flößer, wirf uns einen Span herüber!
Jetzt hieb der Nokele mit seiner Axt einen derben Span
aus einem Baumstamm und warf ihn den Kindern zu
und ein helles
Vergelt's Gott
war ihm sicher.