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Wie ein Lechflößer das Fürchten lernte
Der Flößer aus Stein, der in Lechbruck auf der Lech-
brücke steht, erinnert an das längst vergangene und da-
mals wichtigste Handwerk von Lechbruck, die Flößerei.
Dieses Denkmal wurde 1930 von dem kunstsinnigen
Pfarrer Königsdorfer in Auftrag gegeben, und der Stein-
bildhauer Prof. Hone aus München fertigte diesen kraft-
strotzenden Hünen mit dem dazugehörigen Werkzeug,
dem Tremel, der Axt, dem Seil und natürlich mit der
langen Wiener Tabakspfeife, an.
Aus den Gesichtszügen dieses Flößers spricht Geistes-
gegenwart und höchste Aufmerksamkeit. Denn wenn
man jahraus, jahrein in Wasser und Wald in ständiger
Todesgefahr steht, prägt einen dieses Handwerk so, dass
man schon am Rauschen des Wassers erkennt, was jetzt
zu tun ist.
Leider wurde dieses Jahrhundertwerk bei der Brücken-
sprengung 1945 vom Sockel geschleudert und bisher
nicht mehr aufgefunden. Daher beschloss die Gemein-
de, eine neue Kopie in derselben Werkstatt anfertigen zu
lassen. Diese überdauert jetzt schon fünfzig Jahre.
Unterhalb der Lechbrücke, wo jetzt der Minigolfplatz
liegt, war die obere Floßlände, und ungefähr in Höhe
des heutigen Eisstadions lag die untere. Hier banden die
Flößer und einige Helfer aus langen, groben, buckligen
und ungeschlachten Baumstämmen das Floß zusam-
men.
Mit der Axt und mit Griffbengeln, mit dem Sapil und
mit Raidhaken wurden die dicksten Stämme in die Mit-
te gewälzt und so lange gedreht, bis sie sich harmonisch
in das Ganze einfügten, die schwächeren Stämme wur-
den außen befestigt. Jetzt wurden die Löcher für die
Birkenholznägel gebohrt und sogleich die Nägel ein-
geschlagen. Anschließend legte man den Riegelbaum
quer darüber und befestigte ihn mit gedrehten Weiden
in einer speziellen Technik. Wenn dann die Ruderkipfen
eingeschlagen wurden, war es nicht mehr weit bis zum
Ablegen.
Das ganze Floß bestand aus Holz, und es wurde absicht-
lich kein Eisenteil verwendet. Das hatte drei Gründe:
Erstens hätte man Eisenklammern nicht mehr zu Fuß
an den Abfahrtsort schleppen können, zweitens wurden
in den Sägewerken keine Sägeblätter beschädigt durch
vergessene Nägel und Klammern, und drittens war es
natürlich billiger. So konnte der Zahlmeister das ganze
Floß mit allem Drum und Dran verkaufen.
Es war im Frühjahr 1895, der Lech führte mittleres
Hochwasser, und vier ganz mutige Gesellen machten
sich auf die Fahrt. Nach dem Augsburger Hochablass
war das Landsberger Wehr eine der gefürchtetsten Ge-
fahrenstellen, denn wenn man jetzt nicht haargenau im
Stromstrich
fuhr, konnte man böse Überraschungen
erleben, zumal bei Hochwasser. Hier hatte man schon