Seite 18 - Bruggbeckle

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Als ich im Jahre 1951 am 15. Juni mit dem Fahrrad von Füssen nach Lechbruck fuhr,
erwartete mich mein Onkel schon sehnlichst.
Er hatte keine Nachkommen und war bereits vierundsechzig Jahre alt. Bäckerei und
Landwirtschaft waren total veraltet und beide Betriebe lagen im Argen, daher war-
tete er schon lange auf eine junge Arbeitskraft. Da ich den Rundum-Arbeitstag als
Bäckergeselle schon gewohnt war, dachte ich nicht, dass es noch viel schlimmer kom-
men könnte.
Mein Onkel war die Ruhe und Sanftmut in Person. Jedoch übertrug er mir von Tag
zu Tag neue Aufgaben. Zuerst die unbequemen, die er schon lange los sein wollte,
und als er dann ins Krankenhaus musste wegen einer schwierigen Bruchoperation,
fiel die ganze Geschäftsführung auf mich wie eine Betondecke. Vormittags Bäckerei,
nachmittags Landwirtschaft. Der Rundum-Arbeitstag war wieder gesichert. Keine
Maschinen, nur ein paar landwirtschaftliche Hilfskräfte, meine Tante und ein Och-
sengespann waren vorhanden.
Von der Landwirtschaft hatte ich wenig Ahnung, deshalb musste ich mich auf diese
Leute verlassen, denn mit siebzehn Jahren kann man noch keinem Bauernhof vor-
stehen. Trotzdem überbrückte ich die vierzehn Krankenhaustage meines Onkels zu
seiner Zufriedenheit.
In den Jahren des Wirtschaftwunders nahm auch die Bäckerei einen unerwarteten
Aufschwung, zumal ich jetzt die Feinbäckerei forcierte. Da mein Onkel die Landwirtschaft als Hobby betrachtete,
war er jetzt meistens auf dem Feld und überließ mir die ganze Bäckerei. Der Backwarenumsatz ging von nun an
ständig in die Höhe und so konnte ich nach bestandener Meisterprüfung im Jahre 1955 schon einen Gesellen und
einen Lehrling einstellen.
Meine Mutter war eine weise Frau, doch in einem Punkt irrte sie sich, denn sie sagte, ich solle froh sein, dass ich so
gebraucht werde, denn zu viel Freizeit sei schlimmer als zu viel Arbeit. Jedoch würde ich bei diesem Stress natürlich
keine Frau finden. Doch mir genügte eine abendlich abgezwackte Stunde, um die Frau fürs Leben zu finden. Denn
gerade die gestohlenen freien Stunden waren die schönsten.
Zehn Jahre später, also 1961, übergaben dann mein Onkel und meine Tante das ganze Geschäft mit Haus und
Garten an mich. Sie zogen sich in ihr Austragshaus zurück, das sie sich schon vor einigen Jahren gebaut hatten,
halfen aber noch lange im Geschäft mit. Als ich dann 1963 meine Frau heiratete, ein geborenes Verkaufsgenie,
Semmelteig und Bienenhonig