Seite 19 - Bruggbeckle

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bauten wir zusammen drei Jahre später das ganze Haus
um. Die Landwirtschaft wurde stillgelegt und aus dem
alten Ochsenstall wurde ein schöner neuer Laden. Nur
die zweiunddreißig Hühner wollte meine Frau behalten.
Die Imkerei wurde mir auch zu viel und da ich immer
seltener ins Bienenhaus kam, zogen es die fünf Bienen-
völker vor, einen anderen Betreuer zu suchen und zogen
allmählich aus. Durch den starken Aufschwung der Bä-
ckerei wurde alles andere nebensächlich.
Ich trat genau in die Fußstapfen meines Onkels, wenn
nämlich eine Reparatur am Haus oder im Garten an-
stand, dann hieß es nur: „Bring einmal einen Nagel und
einen Hammer und die Zange.“ Mit diesem Einheitsset
wurde jahrelang alles repariert und im Nachhinein war
es billig und gut.
Mein Onkel, immer noch Vollblut-Bauer, sah aus dem
Backstubenfenster, wie der Hieronymus eine Kuh heim-
führte, die er auf dem Viehmarkt gekauft hatte. Jetzt
nichts wie hinaus und das schöne Stück betrachten, er
fragte gleich: „A schöas Stuck hast du da, Hieronymus,
was ka se?“ (Wie viel Milch gibt sie?)Der Hieronymus
antwortete bescheiden. „I woas it, Hauptsach sie frisst
und scheißt.“
Der Garten verwilderte und die Hühner trugen das ihre
dazu bei, aber es war ländlich und gemütlich. Meine
Frau hielt mit den Hühnern eisern durch, die alten ka-
men in den Suppentopf, dann kaufte sie jedes Jahr neue
dazu, damit war der Bestand gesichert. Aber nach zehn
Jahren wurde es auch ihr zu viel, das teure Hühnerfut-
ter, die Reinigung des Stalles und die Pflege im Allge-
meinen, deshalb bekam ich eines Tages den Auftrag,
alle Hühner samt Gockel abzuschlachten. Das tägliche
Hühnerköpfen war jetzt meine Aufgabe und nach ei-
nem Monat hackte ich der letzten Henne den Kopf ab.
Es dauerte Jahre, bis aus dem wüstenähnlichen Garten
mit Sandmulden und Mistfladen ein grüner parkähnlich
angelegter Garten wurde. Dieser ist heute noch unsere
beliebteste Sommerresidenz.
Mein Onkel half immer noch in der Backstube mit.
Da kam eines Tages ein Backhilfsmittel-Vertreter in die
Backstube und pries sein neues Semmelbackmittel an.
Auf dem Arbeitstisch breitete er einen farbigen Werbe-
prospekt aus.
Auf diesem war abgebildet: Links ein dicker Bäcker mit
einer großen Semmel, rechts ein sehr dünner Bäcker mit
einer ganz kleinen Semmel. Darunter stand: Semmel
mit Diamalt und ohne Diamalt.
Mein sonst so gutmütiger Onkel sah rot, denn er bezog
den dünnen Bäcker persönlich auf sich und rief: „Das ist
ja eine Unverschämtheit, mich so darzustellen, nur weil
ich noch keinen Diamalt verwende!“ Alle Beteuerungen
des Vertreters halfen nichts, er warf ihn kurzerhand aus
der Backstube und schrie ihm noch nach, er solle sich ja
nicht mehr blicken lassen.
Der Leuthenbauer, kurz „Leite Lise“ genannt, war
Korbmacher und Geflügelhändler, er kaufte seinen
wöchentlichen Kipf Brot im Laden und weil es gerade
tiefster Winter war, meinte er: „Ich nehme heute gleich
zwei Kipfen, es könnte mich einschneien, dann habe
ich wenigstens Brot im Haus.“ Mein Onkel ärgerte sich
heimlich über seine Ausdrucksweise und sagte: „Das
heißt zwei Wecken Brot und nicht Kipfen, Kipfen sind
die vier Buchenholzsprossen am Mistwagen und nichts
anderes.“
Einmal bestellte der Pfarrer beim „Leite Lise“ einen Ka-
narienvogel und weil der Lise gerade keinen zur Hand
hatte, malte er mit Wasserfarbe eine Zeisig gelb an und
verkaufte ihn so dem Pfarrer. Dieser durchschaute schon