Seite 36 - Bruggbeckle

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waren für den seelischen Ausgleich ganz wichtig. Im
Gegensatz zu den weißen Bäckern könnte man die
Lehrlinge als schwarze Sklaven bezeichnen. Sie sorg-
ten dafür, dass ständig Kohlen im Heizungsraum wa-
ren und schleppten ständig ihre vollen Kohleneimer an
den gefräßigen alten Backofen. Sie reinigten Hunderte
von Backblechen und schmierten diese wieder mit Fett
ein. Sie entsorgten die Kohlenasche und entrußten den
Backofen, daher sahen sie aus wie Grubenarbeiter oder
Extrem-Mechaniker. Sie bekamen drei Jahre keine hö-
heren Weihen und die Eltern waren froh, dass sie außer
Haus waren und am Arbeitsplatz Kost und Wohnung
hatten. Wie sie dann doch noch gute Bäcker wurden,
kann man sich nur durch einen plausiblen Vergleich er-
klären. Sie entwickelten sich urplötzlich von der Raupe
zum Schmetterling.
Nach dieser erfahrungsreichen Zeit wechselte ich noch-
mals in eine Spezialitäten-Konditorei und nach einem
Jahr ging ich endgültig in meinen Heimatort Lechbruck,
wo ich dann 1961 die Bäckerei meines Onkels über-
nahm. Nach und nach löste man in den Großstädten
diese Kellerbäckereien auf und auf der grünen Wiese
in den Gewerbegebieten wuchsen große Brotfabriken
mit angegliederten Semmelstraßen, in denen heute nur
noch angelernte Hilfsarbeiter beschäftigt werden und
nur ein oder zwei gelernte Bäcker diese Unternehmen
leiten. Durch diese Entwicklung muss der Verbraucher
jetzt auf viele handwerkliche Köstlichkeiten verzichten
und es erscheint fast wie eine „Fata Morgana“, wenn
man auf dem Lande noch eine kleine Bäckerei mit einer
freundlichen Verkäuferin und frischen handgemachten
Backwaren findet.