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Endzeit in der Backstube
Das Damoklesschwert hängt in der heutigen Zeit an ei-
nem seidenen Faden über jeder Backstube und ist jeder-
zeit fähig, bei der kleinsten Erschütterung auf den Ar-
beitstisch niederzusausen, um den letzten Brezenstrang
endgültig abzuschneiden. Das liegt jetzt nicht so sehr
an der Brotindustrie, mit Sicherheit auch nicht an der
Kundschaft und auch nicht an der hohen Investition,
die heute für einen modernen Backbetrieb erforderlich
ist. Diese Untergangsstimmung liegt einzig und allein
an der fehlenden Bereitschaft der jungen Leute, diesen
wichtigen Beruf mit seinem frühen Arbeitsbeginn und
arbeitsintensivem körperlichem Einsatz zu wählen.
Vor ungefähr sechstausend Jahren wurde schon aus Ge-
treidekörnern Mehl gemahlen und durch Zusatz von
Wasser ein Teig hergestellt. Dieser wurde in der Sonne
getrocknet und so entstand das erste Brot. Dieses wurde
durch Zusatz von Salz immer wieder verbessert und auf
heißen Steinen und später in rund gemauerten Back-
öfen gebacken. Jetzt war das zweite Grundnahrungsmit-
tel nach dem Reis geboren.
Dieses Brot in verschiedenen Formen stellte von nun an
über Jahrhunderte die Ernährung der Menschen sicher,
bis dann viel später die Kartoffel in Europa ihren Ein-
zug hielt.
Wer die Kunst des Brotbackens beherrschte, konnte sich
Bäcker nennen. Dieses wichtige Gewerbe bekam bald
Aufwind und es entwickelten sich in den Städten blü-
hende Bäckereibetriebe. Im Mittelalter errichtete man
in fast jedem Dorf eine Mahlmühle und der Müller
belieferte die ortsansässigen Bäcker mit reinem Inlands-
mehl aus der Umgebung. Bäcker und Müller arbeiteten
eng zusammen, und da sie für die Ernährung sorgten,
waren sie angesehene Leute.
Weil dieses Handwerk so gut florierte, wuchsen die Bä-
ckereien wie Pilze aus dem Boden und der Konkurrenz-
kampf wurde immer härter. Wer sich jetzt in fachlicher
und unternehmerischer Hinsicht nicht behaupten konn-
te, verlor schnell den Boden unter den Füßen und vie-
le Müller kamen wegen der hohen Mehlschulden der
Bäcker ungewollt zu Bäckereien, mit denen sie nichts
anfangen konnten. Jetzt wurden die kleinen Bäckereien
immer weniger und die Mühlenvertreter gaben sich die
Türklinke in die Hand.
Im zweitenWeltkrieg 1939 bis 1945 war das Brot Haupt-
nahrungsmittel und vor den Bäckereien bildeten sich
lange Menschenschlangen. Jeder wollte für seine Familie
ein Brot mit nach Hause bringen und der Bäcker muss-
te oft schlichtend eingreifen, wenn es Rangeleien in der
Schlange gab.