Seite 45 - Bruggbeckle

Basic HTML-Version

44
Der Einundvierzigste
Genau, es ist der einundvierzigste Geburtstag. Nach
einer besinnlichen Feier nimmt man sich wieder sein
Tagespensum vor, teilt sich seine Arbeit genau ein und
merkt am Abend, dass ein Viertel liegen geblieben ist.
Das Alter kann es doch nicht sein, stellt man sich die Di-
agnose, und krank ist man auch nicht, doch irgendeinen
Knackpunkt gilt es jetzt zu überspielen.
Mit äußerster Anstrengung bringt man gerade noch die
Zentner-Mehlsäcke in die Backstube und die schweren
Bretter mit dem frischen Brot in den Laden. Jetzt über-
trägt man ganz unbemerkt die schweren Arbeiten auf
die jüngeren Mitarbeiter. Wehmütig denkt man an die
Zeiten, wo man noch einen Doppelzentner-Mehlsack
auf den Tisch geworfen hat, als wäre er mit Bettfedern
gefüllt. Mit einer Hand stemmte man einen Zentnersack
in die Höhe, als wäre es ein Luftballon, und mit einigem
Schaudern denkt man daran zurück, als man am jähr-
lichen Kirchenfest am Blitzableiter auf den Kirchturm
kletterte und einen Fichtenkranz ans Kirchturmkreuz
hängte. Worauf anschließend der Pfarrer beruhigend
meinte, so etwas solle ich in Zukunft besser bleiben lassen.
Dann diese unvernünftige Bierwette, wo ich um Mitter-
nacht über den Alpsee bei Hohenschwangau schwamm
und wieder zurückschwimmen musste, weil bei stock-
finsterer Nacht eine Umrundung zu Fuß unmöglich ge-
wesen wäre.
Noch mehr erschaudern lässt der Gedanke, als ich vor
Feriengästen, um zu imponieren, auf dem Geländer des
Maxstegs am Lechfall einen Handstand machte und
mich darauf von einem Freund in die Schlucht abseilen
ließ.
Dass man dem Tod schon einige Male ins Auge
geschaut hat, ist weiter nicht beunruhigend, viel-
leicht aber sollte ich meine Geschichten noch zu Ende
schreiben und das ist bis jetzt noch nicht absehbar.
Das erste Mal bastelte ich mit meinen Freunden ein
Floß aus amerikanischen Benzinkanistern. Wir ließen es
in Faulenbach bei Füssen zu Wasser und wäre ich nicht
kurz vor dem damaligen Schwarzenbachwehr an Land
geschwommen, wäre das der sichere Tod gewesen.
Eines Tages kletterte ich mit meinem Freund auf eine
hohe Fichte in unserem Garten, ein dürrer Ast brach he-
raus und ich stürzte neun Meter in die Tiefe und genau
zwischen zwei Eisenpfählen in einen durchgetretenen
Maschenzaun wie in eine Hängematte.
Mehrere Auto- und Motorradunfälle überstand ich mit
blauen Flecken und sogar einen unverschuldeten Fron-
talzusammenstoß.
Die schlimmste Situation ereignete sich am Silvester-
abend 1989. Meine Frau und ich hatten eine böse Grip-
pe, das Fieber stieg zusehends, wir legten uns ins Bett,
aber es wurde immer schlimmer und das Fieber stieg