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Der Dännler-Großvater
Mein Großvater Alois Dännler war schon als Schulbub
ein gern gesehener aufgeschlossener und charmanter
Typ. Er wuchs mit seinen beiden Schwestern in einer
wohlhabenden Füssener Familie auf und wurde von
seinen Onkeln und Tanten immer unterstützt und be-
vorzugt.
Nach der Schule begann er eine Buchbinderlehre, die er
dann auch mit einem schönen Gesellenstück abschloss.
Diese Buchbinderlehre schlug sich noch bei unserer
Mutter durch, denn niemand konnte so schnell und sau-
ber ein altes Buch neu einbinden wie unsere Mutter.
Doch das Buchbinden war nicht sein Lebensziel, er fing
an, in der Waschküche eine Limonaden-Produktion auf-
zubauen. Er kaufte eine Abfüllmaschine und dazu eine
große Menge Glasflaschen. Nun mischte er in einem
großen Kessel die Limonaden in verschiedenen Ge-
schmacksrichtungen an, versetzte sie anschließend mit
Kohlensäure und füllte sie in die Flaschen ab.
Diese Flaschen hatten einen speziellen Verschluss:
Im Flaschenhals war eine Glaskugel eingegossen, die-
se wurde durch den Druck der Kohlensäure nach
oben geschoben und dichtete die Flasche an einer
Gummidichtung ab. Zum Öffnen der Flasche musste
man mit dem Daumen diese Kugel hinunterdrücken
und konnte dann den Inhalt ins Glas einschenken.
Diese Glaskugel konnte man nur durch Zerschlagen der
Flasche entfernen und die Kinder hatten einen Riesen-
spaß, wenn sie die leeren Flaschen zertrümmern konn-
ten, um an die begehrte Glaskugel zu gelangen.
Weil mein Großvater kein Flaschenpfand erhob, kamen
fast keine leeren Flaschen mehr zurück, und das war dann
das voraussehbare Ende der Limonaden-Fabrikation.
Nach dieser Fehlinvestition begann er einen Antiquitä-
ten-Handel. Dieses Geschäft lag ihm mehr und machte
bei Weitem nicht so viel Arbeit. Er fuhr mit dem Pfer-
defuhrwerk ins nahe Tirol und schaute sich in den alten
Bauernhöfen nach Antiquitäten um. Die Bauern waren
damals froh, wenn sie für unbrauchbare alte Gegenstän-
de noch ein paar Mark bekamen.
Zufällig erwischte er eines Nachmittags einen Bauern,
der auf seinem Sägebock alte Holzfiguren zu Brennholz
zersägte. Sofort riss er ihm die Säge aus der Hand und
rettete die teilweise noch gut erhaltenen Figuren vor
den Flammen. Der Bauer war mit hundert Mark hoch
zufrieden und der Alois nahm die ganzen und teilweise
schon durchgesägten Stücke mit.
Dieser Handel erwies sich als der große Wurf, denn es
waren wertvolle gotische Figuren aus einer alten Kirche
darunter. Daheim restaurierte er nun diese wunderba-
ren Figuren und fand auch gleich einen Käufer. Der An-
tiquitätenhandel blühte, bald konnte er gar nicht genug
Ware heranschaffen, so schnell hatte sich das Geschäft
herumgesprochen, und dadurch kam relativ viel Geld
ins Haus.