Seite 54 - Bruggbeckle

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Jetzt saß er mehr im Wirtshaus als zu Hause, und weil
er nur noch abends heimkam, war die Ehe nicht mehr
zu retten. Seine Frau packte die Koffer, verließ Mann
und Kinder, fuhr nach Berlin und verdingte sich dort als
Haushaltshilfe. Von diesem Zeitpunkt an hasste er alle
Frauen. „Die schönste Frau der Welt könnte man mir
jetzt in die Wohnung bringen, ich würde sie umgehend
hinauswerfen“, drohte er.
Im gegenüberliegenden Gasthaus war er der Star. „Der
Dännler kann hypnotisieren“, sagten seine Kumpane am
Stammtisch. Er saß im „Hasen“ und ließ Krüge voll Rot-
wein auffahren, dann produzierte er sich als Hypnotiseur.
Alle machten mit und folgten bereitwillig seinen Anord-
nungen, und als dieses Spektakel seinen Höhepunkt er-
reicht hatte, lud er alle zu sich nach Hause ein, denn da
hätte er noch einige Flaschen besten Steinhäger lagern.
Die Tinte für das Schreibwarengeschäft wurde damals
in Tonflaschen geliefert, die aussahen wie Steinhäger-
oder Enzianflaschen. Es war eine biologisch einwand-
freie Tinte aus Beeren, ohne jegliche chemischen Zusät-
ze. Und so fielen die angeheiterten und hypnotisierten
Zechkumpane über diese Tintenflaschen im Lager her,
als wäre es der beste Heidelbeerschnaps. Jetzt kann sich
jeder selbst ausmalen, wie die gute Stube und die Klei-
dung aussahen, als sie den Heimweg antraten. Jeder
hinterließ auf der Straße genau seine Tintenspur und
man brauchte kein Kriminalist zu sein, um bei jedem
den Heimweg nachvollziehen zu können.
Eines Tages hatte der Alois ein beklemmendes Ge-
fühl, er meinte, dieses leichtsinnige In-den-Tag-
Hineinleben hat ja schließlich auch einmal ein Ende
und der Sensenmann fragt nicht, ob man schon bereit