Seite 55 - Bruggbeckle

Basic HTML-Version

54
ist, er schlägt eiskalt zu, und man weiß nicht wo und
wann. Dieser Gedanke an den Tod ließ ihn nicht mehr
los und daher besorgte er sich beim Leichenwärter im
alten Friedhof einen schönen Totenkopf mit fast voll-
ständigem Gebiss. Er reinigte ihn, kochte ihn aus und
ließ ihn auf dem Balkon von der Sonne bleichen.
Diesen schönen gebleichten Totenkopf stellte er dann
auf sein Nachtkästchen neben dem Bett. Er sagte sich:
„Jetzt sehe ich immer abends, wenn ich ins Bett gehe,
und morgens, wenn ich aufstehe, wie vergänglich der
Mensch ist.“ Dieser Totenkopf war schon makaber
und seinen Töchtern gefiel dieser Blickfang auf dem
Nachtkästchen nicht besonders, aber sie ließen ihn ge-
währen, wenn es ihn beruhigte. So stand er dann wo-
chenlang ruhig auf seinem Platz, bis eines Tages im
„Hasen“ wieder gefeiert wurde.
Es wurde spät an diesem Abend und der Alois schwank-
te nach Hause. Er wollte jetzt gleich ins Bett gehen
und stieß beim Ausziehen an den Totenkopf, dieser
rollte ins Bett, ohne dass er es bemerkte. In seinem
Rausch ließ er sich ins Bett fallen - genau mit dem
Hintern in die Zähne des Totenkopfs! Der Toten-
kopf hatte sich so festgebissen, dass Alois mit einem
Aufschrei aus dem Bett sprang, sich den Totenkopf vom
Hintern riss und in die Ecke warf. Gleich am anderen
Tag brachte er ihn wieder zum Leichenwärter im alten
Friedhof und sagte zu ihm: „Du hast mir da einen sau-
beren Totenkopf gegeben, der hat mich heute Nacht in
den Hintern gebissen.“ Der Leichenwärter lachte und
legte ihn wieder zu den anderen ins Beinhaus. Von die-
sem Zeitpunkt an verdrängte Alois den Tod und wollte
vom Sterben nichts mehr wissen.
Von seiner Schulzeit berichtete er, wie einmal ein Wan-
derzauberer die Schule besuchte. Als er seine Zauber-
kunststücke präsentierte, brachten die Buben vor Stau-
nen den Mund nicht mehr zu.
Am Schluss der Vorführung eine Stimme aus der letzten
Bank, der Rosenwirt: „Herr Lehrer, ich kann auch zau-
bern.“ „So, dann komm einmal vor und zeig uns etwas“,
meinte der Lehrer.
Der Rosenwirt stellte sich neben das Pult, schüttelte
mit der Hand das rechte Hosenbein seiner Röhrles-
hose - und prompt kamen braune harte Kotbrocken zum
Vorschein! Die ganze Klasse brüllte vor Lachen, doch
der Lehrer war mit diesem Zauberkunststück überhaupt
nicht einverstanden. Er legte ihn übers Pult und hieb
mit dem Rohrstock kräftig auf seinen Hintern. Durch
diese Klopferei lösten sich noch mehrere Brocken, die
sich in den Falten versteckt hatten, und kullerten über
den Fußboden.
Dieses letzte außergewöhnliche Zauberkunststück vom
Rosenwirt war so einprägsam, dass sich die Klassenka-
meraden noch Jahrzehnte später an diese einmalige und
amüsante Vorführung erinnerten.
Während des zweiten Weltkriegs kam Alois mittags
immer zu uns zum Essen, und wenn wir dann von der
Schule heimkamen, löffelte er mit uns seine Erbsensup-
pe, dann fütterte er meine Tauben.
Er hatte überhaupt kein Geld mehr und natürlich auch
keine Rente. Jetzt drehte er einfach den Spieß um und
sagte: „Gerade das Sparen gefällt mir so gut, mich freut
eine ergatterte Streichholzschachtel oder eine Pfeife voll
Tabak mehr als alles andere auf der Welt. Ich kann noch
alles essen und der Rockefeller mit seinen Millionen
darf nur noch Griesmus essen.“
So lebte er jetzt ganz sparsam und zufrieden und wur-
de durch dieses aufgezwungene karge Leben noch
relativ alt. Mit fünfundsiebzig Jahren starb er dann im
Füssener Krankenhaus.