Seite 66 - Bruggbeckle

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umgerührt, dann durfte man dieses Getränk schlück-
chenweise genießen. Die Bayern sind zwar Biertrinker,
aber auch so ein steifer Grog ist nicht zu verachten, be-
sonders im Winter.
Sein Rumvorrat versiegte nie, er hatte ständig ein paar
Flaschen auf der Seite, und so kam es, dass nach dem
fünften Glas die Runde etwas verworren wirkte, da er
jetzt nur noch den reinen Rum nachschenkte. Ziemlich
laut und unmelodisch sang er noch mit letzter Kraft das
Lied von den Friesenkindern und schlief dann auf dem
Stuhl ein. Die Hausleute brachten ihn ins Bett und auch
selber waren sie froh, dass das Schlafzimmer gleich ne-
benan war. Der Otto war das Grogtrinken gewohnt und
am anderen Tag wieder topfit.
Gerne ging er abends zum Welschenwirt, das Gasthaus
führte in der neueren Zeit der Sohn Ulrich Ott, kurz
Welsche Ure
genannt. Da saßen dann die Stamm-
tischbrüder in der Runde und nahmen ihn freundlich
auf; da er ja seine Rente loswerden wollte, war er nicht
kleinlich.
Links neben ihm saß der
Schnabbelkramer
- er gab
ihnen allen einen friesischen Spitznamen -, dieser war
Schreiner und plapperte in ungehobeltem Dialekt schon
zum hundertsten Male die Geschichte von den faulen
Lehrlingen und den verpfuschten Fensterläden. Keiner
hörte mehr zu, und es verlor sich über dem Tisch, auch
wenn er mit seinen amputierten Schreinerfingern mit
Nachdruck auf den Tisch hämmerte.
Neben ihm saß Rudi, der Maurer, wenn der seinen Bier-
krug in der Hand hatte, sagte er:
Das Bier ist hinunter
so gut, und wenn es wieder heraufkommt, schmeckt es
scheußlich.
Daneben saß der
Müllkutscher
, vomOtto
so benannt, er sammelte mit seinem Traktor Hausmüll
ein und machte an jedem Gasthaus einen Zwischen-
stopp zu einer Maß Bier. Wenn er dann seinen Müll auf
die Halde gekippt hatte, war die letzte Instanz der Wel-
schenwirt. Der Müllkutscher trank Bier im Übermaß,
und sein Herz machte die tägliche Überschwemmung
nicht mehr mit, da fiel er eines Tages tot von seinem
Traktor, er war erst vierundvierzig Jahre alt und sparte
sich so seine Pflegekosten.
Neben dem Müllkutscher saß der
Krumme Schnei-
der
, dieser wartete geduldig, bis ihm einer eine Halbe
Bier spendierte, dann wurde er gleich übermütig und
gab seine Meinung zum Besten.
Von der Außenpolitik
habt ihr alle überhaupt keine Ahnung, sonst würdet ihr
nicht so saudumm daherreden.
Da fiel ihm der
Schnurrian
ins Wort, ein alter Aus-
tragsbauer mit Kaiser-Wilhelm-Bart, der neben ihm
saß und an allem, was zur Sprache kam, etwas auszu-
setzen hatte, und sagte:
So einen Außenpolitiker wie
du einer bist, schnitz ich mir aus einer gelben Rübe.
Jetzt kam der pensionierte Jäger, der neben dem Schnur-
rian saß, mit seiner Wildschweingeschichte, die er schon
das tausendundeinstemal vortrug, wie er einmal im Le-
ben ein Wildschwein an der richtigen Stelle traf, dass
dieses tot umfiel. Er hatte eine böse Sache im Kehlkopf
und sprach daher ganz heiser, zudem klapperte sein Ge-
biss, das nicht mehr fest saß, beim Reden, und schon
nannte ihn der Otto
Klapperschlange
.
Die
Klapperschlange
ging noch den ganzen Sommer
barfuß im nassen Gras auf die Jagd, bekam durch die
ständige Unterkühlung von unten ein Blasenleiden, die-
ses überholte dann die Kehlkopfsache und so ging er un-
ter furchtbaren Schmerzen in die ewigen Jagdgründe ein.
Jetzt schloss sich der Stammtisch wieder beim Otto. Die-
ser fragte den
Welsche Ure
, ob er nicht was zu essen
hätte. Der Ure war nicht verlegen, er kramte mit der
rechten Hand in der Hosentasche und zog aneinander-
gereihte Landjäger zum Vorschein.
Die sind butter-