Seite 68 - Bruggbeckle

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Beim Dorfbäcker
Bruggbeckle
Wenn der Großvater Otto Keller in der Früh um drei
Uhr aus dem Bett hüpfte, lag das Dorf noch in tiefem
Schlaf. Er war klein von Gestalt, und vor seinem Ge-
schäft führte eine Holzbrücke über den Leuthenbach,
daher der Name
Bruggbeckle
.
Der Leuthenbach war ein tückischer Wildbach und
konnte bei einem Gewitterregen die ganze Backstube
unter Wasser setzen. Doch heute war eine warme Som-
mernacht, und man hörte nur den Nachtwächter die
Stunden ausrufen.
Sobald in der Backstube das Licht brannte und die Au-
ßentüre offenstand, kam er herein, holte seine Milch-
flasche aus der Tasche und machte auf der Ofenbank
Brotzeit.
Aber heute war sein Feierabend alles andere als gemüt-
lich, als er nämlich noch seinen Rundgang ums Haus
machte, wollte er eine buckelnde Katze mit der Hand
aus dem Geranienkasten am Fenster verscheuchen und
schlug mit voller Wucht in einen runden Kaktus. Jam-
mernd und mit der Hand voll Stacheln kam er in die
Backstube und wurde vom Bäckermeister sogleich ver-
arztet.
Jetzt kam auch der Geselle in die Backstube und band
seinen Schurz um. Er war noch vor vier Stunden beim
Jägerwirt gewesen und in dementsprechender Verfas-
sung. Unter schwierigsten Umständen und mit einigen
Hindernissen richtete er seinen Semmelteig an. Er hatte
ein flaues Gefühl imMagen und als er mitten im Kneten
war und bis zu den Ellenbogen im Teig steckte, muss-
te er sich übergeben, und das gute Bier und die letzte
Landjägerbrotzeit vom Jägerwirt klatschten in den Sem-
melteig. Zwangsläufig mischte er die ganze Sache unter
den Teig und die Angelegenheit war für ihn erledigt.
Am anderen Tag fragten dann einige Kunden, wann es
wieder einmal so köstliche Semmeln mit Speckwürfeln
gibt!
Beide arbeiteten jetzt tüchtig und schon bald waren die
ersten Semmeln im Ofen; es wurde langsam Tag und
schon kamen die ersten Gäste in die Backstube. Das wa-
ren der
Krumme Schneider
, der Teppichweber, der
Maurermeister und der Jägerwirt, sie besetzten schon
am Morgen die Holzbank am Backofen und unterhiel-
ten sich, nachdem sie im Laden ihre Semmeln gekauft
hatten. Sie störten beim Arbeitsablauf in keiner Weise,
denn das war auf dem Land einfach so üblich.
Da der Bäckermeister auch noch ehrenamtlich die
Friedhofsverwaltung übernommen hatte, wurde der
Grabstättenkauf und -verkauf und alles, was mit dem
Friedhof zu tun hatte, in der Backstube abgewickelt.
Eines Tages kam ein alter Mann und jammerte, seine
Frau sei gestorben, aber Geld habe er überhaupt keines,
er könne also kein Grab kaufen. Der Bäcker nahm ihn
mit auf den Friedhof und sie gingen ein paarmal auf