Seite 69 - Bruggbeckle

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und ab; da stießen sie auf ein leeres Fleckchen, das nie-
mand haben wollte.
Da kannst du sie beerdigen lassen, das kostet dich dann
nichts, du brauchst nur dem Totengräber zwei Päckchen
Landtabak geben, dann ist sie drin. Billiger kann ich es
nicht machen.
Der Mann strahlte und war hoch zu-
frieden.
Es tauchten immer wieder neue Probleme mit dem
Friedhof auf, denn es herrschte akuter Platzmangel,
doch den Bruggbeckle brachte nichts aus der Ruhe.
Sobald das Bauernbrot aus dem Ofen kam, spannte er
seinen Schimmel an das Brotwägelchen und belud es
mit vierzig großen Laiben. Denn zweimal in der Woche
belieferte er die abgelegenen Bauernhöfe und Weiler.
Es war Montag und weit draußen auf dem Einödhof
des Gockelbauern hingen dessen fünf Kinder am Kü-
chenfenster und spähten nach dem Bäcker.
Endlich tauchte der Schimmel im Hohlweg auf, da rie-
fen sie laut:
Er kommt, er kommt!
Als der Bäcker auf
dem Hof anhielt, schrien sie noch lauter:
Er hält an, er
hält an!
Das war nämlich gar nicht so selbstverständ-
lich, denn der Gockelbauer war hoch verschuldet und
zahlungsunfähig, und als er aus der Haustüre kam und
die zwei Laib Brot in Empfang nahm, sagte der Bäcker:
Du stehst jetzt schon zwei Jahre bei mir im Buch, wenn
ich heute kein Geld bekomme, kann ich dich nicht mehr
beliefern.
Der Gockelbauer war Witwer, die Kinder aßen einen
Laib in einer Stunde, und Geld war schon lange keines
mehr vorhanden, da sagte er zum Bäcker:
Du kannst
bei mir eine Kuh abholen, dann wäre die Sache doch
einigermaßen ausgeglichen.
Abgemacht, am Samstag
Abend hole ich eine Kuh
, entgegnete der Bäcker, der
auch noch eine kleine Landwirtschaft betrieb.
Am Samstag Abend sagte der Bruggbeckle zu seinem
schulpflichtigen Sohn Georg:
Du nimmst einen Hasel-
nussstock und ich nehme das Strickhalfter, jetzt holen
wir eine Kuh vom Gockelbauer.
Nach einer Stunde Anmarsch erreichten sie den Hof
des Gockelbauern. Er erwartete sie schon und sagte:
Geht nur in den Stall, ich kann dabei nicht zuschauen.
Als sie den halbdunklen Stall betraten, war alles leer, die
anderen Gläubiger hatten schon das ganze Vieh mitge-
nommen. Nur ganz hinten in der Ecke stand eine ganz
ausgemergelte alte Kuh, die letzte und einzige Milchlie-
ferantin der Kinder.
Die beiden schauten einander an und brachten es nicht
übers Herz.
Nein
, sagte der Bäcker,
die Kuh bleibt
stehen, das werde ich auch noch verkraften. Wenn sie
schon kein Brot mehr bekommen, sollen sie wenigstens
die Milch noch haben.
Weil das Geschäftsleben eben
hart ist, wurde von da an der Gockelbauer nicht mehr
angefahren.
Die Backstube war ein Kommunikationszentrum ersten
Ranges, und wenn man die Gespräche verfolgte, waren
unter den Handwerkern herausragende Köpfe, wo jede
Mark gut angelegt gewesen wäre, hätte man sie auf wei-
terführende Schulen geschickt, aber es war eben kein
Geld vorhanden.
Einer von ihnen hatte das Spaltleder erfunden, aus die-
sem fertigte man von nun an die Lederhosen in ganz
Bayern und darüber hinaus.
Der
Krumme Schneider
rutschte auf der Ofenbank
auf und ab und unterstrich, mit seinen kohlschwarzen
Händen fuchtelnd, seinen außenpolitischen Vortrag.
Da fiel dem Bruggbeckle plötzlich ein, dass die zweite
Partie Semmeln noch im Backofen war, und als er die