Seite 80 - Bruggbeckle

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Heirat. Der Kaspar hatte ein kleines Häuschen und ein
festes Einkommen und das war schon was.
An den alten Häusern war der Abort außen auf dem
Altan und ein viereckiger Holzschacht führte direkt in
die Grube. So saß der Kaspar auf dem Thron und sah
durch die fingerbreiten Ritzen in der Türe seine junge
Frau beim Blumengießen. Spontan rief er: „Linalein,
siehst du mich?“ „Nein“, rief sie, „nur deine schönen
blauen Augen.“ So verliebt waren sie beide.
Neben seiner Mesnertätigkeit machte er auch mit sei-
ner Frau den Leichenhausdienst, und als eines Tages der
alte Bahnwärter starb, war er gerade weit außerhalb des
Dorfes in einem Wäldchen beim Brennholz sammeln.
Das kleine Wäldchen heißt heute noch „In der Ewig-
keit“. Man schickte die Haushälterin des Bahnwärters
hinaus, er solle doch den Toten anziehen, und als sie
ihn aufstöberte, sagte er: „Da holen Sie mich bis von der
Ewigkeit, wie soll ich den jetzt noch warm erwischen?“
Eines Tages hatte er, wie es manchmal vorkommt, gleich
drei Leichen im Leichenhaus. Er rieb sich schon die
Hände, die dreifache Einnahme in einem Arbeitsgang;
es waren zwei arme Schlucker und ein Bahnbeamter,
und so erhoffte er sich beim Letzteren ein gutes Trink-
geld von den Angehörigen. Doch da freute er sich wieder
zu früh, denn am anderen Morgen kam ein Münchener
Bestattungsunternehmen, und die Angehörigen ließen
den Toten nach München ins Familiengrab überführen.
Er lief den Männern noch nach bis zum Leichenauto
und jammerte: „Gerade meinen Besten habt ihr mir ge-
nommen!“
Auf Erlaubnis des Pfarrers durfte er die abgebrannten
Kerzenstummel vom Leichenhaus mit heimnehmen
zum privaten Gebrauch, weil ja doch beim nächsten
Toten wieder neue aufgesteckt würden. Aber als das
eines Tages die Ministranten bemerkten, schrieben sie
mit großen Buchstaben an die Friedhofsmauer „Kaspar
Lotter stiehlt Kerzen“. Als man ihn darauf aufmerksam
machte, war er so gekränkt, dass er seinen Mesnerdienst
niederlegen wollte, doch der Pfarrer beruhigte ihn und
sagte, er wolle schon dafür sorgen, dass sich die Übel-
täter entschuldigen und die Schrift wieder abwischen.
Doch der Schriftzug blieb wochenlang bestehen, bis
dann der Regen und der Westwind ein Einsehen hatten
und ihn unleserlich machten.
Der Mesner und sein damaliger Pfarrer waren vierund-
dreißig Jahre dienstlich beieinander. Der Pfarrer sagte
zu ihm „Kaspar“ und der Kaspar redete ehrfürchtig nur
vom „Hear“. Beide beschlossen, um den Gottesdienst
attraktiver zu gestalten, am Fest „Christi Himmelfahrt“
den Auferstehungschristus, eine große Holzfigur, mit
einer Seilwinde ganz langsam an die Kirchendecke zu
ziehen.
Als es dann so weit war und der Gottesdienst an Chris-
ti Himmelfahrt dem Ende zuging, da drehte ein Mann
zu leiser Orgelmusik auf dem Kirchendachboden ganz
langsam an der Kurbel. Die Christusfigur erhob sich
und schwebte der Decke zu, Kaspar musste auf der
rechten Empore einen dünnen Blumendraht halten, der
am Christus befestigt war, damit sich dieser nicht dre-
hen konnte. Doch auf einmal, auf halber Höhe, fing die
Figur an sich zu drehen. Der Mann im Dachboden be-
merkte es sofort und drehte schneller an seiner Kurbel,
die Kirchenbesucher schmunzelten und endlich war der
sich immer schneller drehende Christus in der Dach-
bodenluke verschwunden. Als man den Kaspar fragte,
wie das passieren konnte, antwortete er: „Ich habe mir