Seite 81 - Bruggbeckle

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gleich gedacht, dass dieser verrostete Blumendraht das
nicht aushält.“
So war meistens etwas los in der Kirche und die Kir-
chenbesucher hatten beim Mittagessen immer ihren
Gesprächsstoff. War es einmal ganz still in der Kirche,
so ließ der Kaspar sein Gebetbuch fallen und bückte sich
umständlich, bis er wieder alle Bildchen eingesammelt
hatte. Ein anderes Mal wechselte er auf die andere Seite
und streifte dabei einen Kerzenständer, dass dieser kra-
chend zu Boden fiel, oder er stolperte, wenn er das Op-
fergeld einsammelte, über eine Stufe des Seitenaltars,
ging dann wieder zurück und korrigierte seinen Fehler
beim zweiten Anlauf.
Er wollte unter keinen Umständen eine graue unschein-
bare Kirchenmaus sein, daher immer wieder diese
harmlosen Szenen, die oft bis an die Grenzen dessen
gingen, was auf geweihtem Boden noch möglich war.
Der Pfarrer duldete diese kleinen Ausrutscher und amü-
sierte sich köstlich.
Kaspar freute sich schon immer auf den Sonntag, denn
da zündete „der Hear“ nach dem Essen eine große Zi-
garre an, und wenn er dann vom Pfarrhaus zur Kirche
ging, um die Nachmittagsandacht zu lesen, war die Zi-
garre erst bis zur Hälfte geraucht. Er legte sie außen
auf dem Fenstersims der Sakristei ab, und jetzt war
der schönste Augenblick für den Kaspar gekommen, er
schlich hinaus, die Zigarre brannte noch, er nahm sie
vom Fenstersims und ging hinter die Sakristei in die Ha-
selnussbüsche. Jetzt nahm er genüsslich ein paar Züge
von diesem kostbaren Stück und legte sie dann wieder
sorgfältig zurück auf den Fenstersims.
Das waren so die kleinen Freuden des Kaspar, und als
er dann krank wurde und jede Woche seine Spritze vom
Doktor bekam, meinte er: „Er spritzt mich wohl jetzt hi-
nüber in die Ewigkeit“, und bald darauf starb er. Seine
Frau Lina machte danach noch jahrelang den Leichen-
hausdienst, doch der Mesnerdienst wurde von einem
Nachfolger übernommen.
Die Geschichte über den Mesner Lotterkaspar erschien
1997 auch in der Füssener Heimatzeitung.