Seite 90 - Bruggbeckle

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aber den
pur le Merit
-Orden haben sie dafür noch nie
bekommen. Deshalb setzte man in der Prüfungswoche
auf vier grobschrötige Allgäuer, denn der Fachlehrer
vermutete in uns das beste Team.
Wir versorgten jetzt das ganze Haus mit Backwaren ers-
ter Qualität und dazu noch ein Münchener Altenheim.
Man hätte uns gerne noch dabehalten, aber die Meis-
terprüfung stand jetzt in greifbarer Nähe. Alles wurde
furchtbar aufgebauscht, dramatisiert und eine richtige
Prüfungsangst verbreitet. Doch hinterher stellte sich al-
les als halb so schlimm heraus. Nach drei Prüfungsta-
gen war alles überstanden und in einer feierlichen Ze-
remonie überreichte uns der Präsident des Handwerks
das Meisterprüfungszeugnis und wünschte uns noch viel
Glück und Erfolg im Berufsleben.
Zum Abschluss organisierten wir noch eine Busfahrt
zum Schloss Neuschwanstein. Zum Glück schickte mir
meine Mutter in einem Briefumschlag noch zehn Mark.
Ein großer Omnibus wurde bestellt, und als wir alle
sechsunddreißig Mann und die beiden Lehrer Platz ge-
nommen hatten, machte uns der Fahrer noch darauf
aufmerksam, wer sich im Bus übergeben müsse, der hät-
te zwei Mark Reinigungsgebühr zu bezahlen.
Mir kam das so überflüssig vor, als wenn er mir die
Schwimmweste erklärt hätte.
Wir besuchten über einen wunderbaren Alpenweg
durch die Pöllatschlucht das Schloss Neuschwanstein.
Die meisten hatten es noch nie gesehen und waren hell-
auf begeistert. Nach der Besichtigung stiegen wir in den
Bus und fuhren wieder über die Wieskirche und Wild-
steig weiter.
In Wildsteig machten wir an einer gemütlichen Almwirt-
schaft Rast und jetzt hatte ich endlich Gelegenheit, Mut-
ters Zehner in Weizenbier zu verwandeln. Es schmeckte
ausgezeichnet und als ich bereits bei der sechsten Hal-
ben war, mahnten die Lehrer zum Aufbruch.
Die anschließende Kurventechnik des Fahrers entsprach
überhaupt nicht meiner derzeitigen Verfassung und das
Weizenbier kam wieder als ekelhafte Brühe vom Magen
herauf. Es lief am Mantelrevers herunter und roch nicht
gerade angenehm. Doch die Kollegen waren sehr tole-
rant; teils mitleidig, teils schadenfroh gaben sie mir so
manchen Ratschlag, bis wir endlich wieder in unserem
Quartier waren.
Am anderen Morgen kam auch schon der Fahrer des
Busses und nahm mir die letzten zwei Mark für die Bus-
reinigung ab. Als ich dann zum Frühstück eine Zitro-
nenlimonade bestellte, lachten die anderen und mein-
ten, ich müsse jetzt wieder mit Bier weitermachen, das
seien hundertprozentige Erfahrungswerte, sie würden es
schon bezahlen - und so machte ich am Vormittag wie-
der mit Bier weiter, und sie behielten tatsächlich recht.
Mittags war ich schon wieder topfit. Jetzt noch eine lusti-
ge Abschiedsfeier und bald darauf saß ich schon im Zug
nach Lechbruck.
Doch jetzt überfiel mich wieder mein hartnäckiges Lei-
den, das mich schon tagelang verfolgte. Da ich nur ein
Paar Schuhe mit Gummisohlen dabei hatte, wurden
durch den ständigen Fußschweiß die Füße ganz weiß
und schwammig. Daher zog ich im vollbesetzten Eisen-
bahnabteil meine Schuhe aus.
Auf einmal rümpften die mitfahrenden Reisenden ganz
komisch ihre Nasen und einer meinte sogar:
Ist hier
ein Käser zugestiegen?
Leider konnte ich meinen Feh-
ler nicht mehr rückgängig machen und so verließ einer
nach dem anderen das Abteil und ich fuhr ganz allein
erster Klasse als frischgebackener Bäckermeister in mei-
nen Heimatort Lechbruck.