Seite 97 - Bruggbeckle

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ihn mit ins Nebenzimmer, überreichte ihm eine Flasche
Doppelkorn und sechs Stück feine, handgerollte Havan-
na-Zigarren und sagte:
Mach jetzt keine Zicken, Jakob,
du hast bis jetzt noch jeden Sarg unter die Erde gebracht
und bringst auch diesen noch hinein.
So ein Totengräber war kein Sensibelchen, und doch
traf es irgendwo den harten Kern, er nahm wortlos die
Flasche, steckte die Zigarren ein und ging wieder hi-
naus zum Grab. Nach ungefähr zwei Stunden schlich
der Leichenwärter ganz leise bis ans Grab und schaute
vorsichtig über die Thujenhecke, der Totengräber war
verschwunden, die leere Flasche stand am Grabesrand
und der gegenüberliegende Sarg war amputiert.
Er nahm mit seinem Meterstab noch einmal Maß und
die Größe stimmte, der Übersarg musste locker passen.
Der Beerdigung stand also nichts mehr im Wege, und
als sich nach der Beisetzung die Beteiligten imWirtshaus
trafen, lobte der Leichenwärter den Jakob, der diesen
schwierigen Fall in letzter Minute noch so meisterhaft
gelöst hatte, und die Bauern und anderen Anwesenden
nickten zustimmend hinter ihren Biergläsern. Einer
meinte sogar:
Der Jakob ist ein Mordskerl, so einen
kriegen wir nicht wieder.
Das ging dem Totengräber wie Balsam den Hals hinun-
ter, er war halt wer und hob sich wieder einmal ab von
der grauen Masse der übrigen Dörfler. Immer wieder
musste er durch seine theatralischen Auftritte sein An-
sehen und seine Unersetzlichkeit demonstrieren, bis ihn
eines Tages ein anonymer Baggerfahrer der Gemeinde
ablöste.